Sevilla (SID) – Eine historische Schmach als Schlusspunkt eines verlorenen Länderspieljahres: Die heillos überforderte Nationalmannschaft hat das schlimmste Debakel seit 89 Jahren erlebt und dabei jegliche EM-Reife vermissen lassen. Im „Finale“ um den Gruppensieg in der Nations League in Spanien hatte das taumelnde Team von Bundestrainer Joachim Löw von Beginn an nicht den Hauch einer Chance und verließ nach einer denkwürdigen 0:6 (0:3)-Pleite schwerst gedemütigt den Platz. Die höchste Niederlage seit 1931 (0:6 gegen Österreich) verfolgte Löw geschockt und versteinert an der Seitenlinie.
Torhüter Manuel Neuer erlebte ausgerechnet in seinem Rekordspiel (96. Länderspiel) einen Abend zum Vergessen, bei den Gegentreffern von Alvaro Morata (17.), Ferran Torres (33., 55., 72.), Rodrigo (38.) und Mikel Oyarzabal (89.) war der Bayern-Torwart aber machtlos. Neuers Vorderleute liefen den spielfreudigen Spaniern fast nur hinterher und offenbarten erschreckende Lücken in der Defensive und gravierende Abstimmungsprobleme. Das Desaster gibt Löw und seinem Team viele Hausaufgaben für das anstehende EM-Jahr auf.
Von einem ersten Pflichtspielsieg gegen La Roja seit 32 Jahren war Deutschland im Estadio Olimpico de La Cartuja meilenweit entfernt. Die zuletzt keineswegs überzeugenden Spanier qualifizierten derweil für das Final Four im Oktober 2021. Dort steht Weltmeister Frankreich bereits als ein Gegner fest.
Mit dem Anpfiff stieg Neuer zum alleinigen Rekord-Keeper in der DFB-Geschichte auf. Der Kapitän überflügelte mit seinem 96. Länderspiel Sepp Maier (95), den für ihn selbst eine „Torwart-Legende“ ist. Vom internationalen Rekordnationalspieler Sergio Ramos, der gegen Deutschland zum 178 mal für Spanien auflief, ist Neuer aber noch meilenweit entfernt.
Ramos prüfte Neuer bereits in der 7. Minute mit einem Freistoß, den der Bayern-Keeper abwehrte. Das DFB-Team hatte Glück, dass zuvor Schiedsrichter Andreas Ekberg (Schweden) das leichte Foul von Ilkay Gündogan an den Leipziger Profi Dani Olmo fälschlicherweise außerhalb des Strafraums verortet hatte.
Anders als im Hinspiel (1:1), als Löw mit einer riskanten Mann-gegen-Mann-Taktik experimentiert hatte, begann die deutsche Mannschaft abwartend. Dafür attackierten die Spanier früh und schnell, als Schwachstelle hatten sie sich offenbar die linke Abwehrseite mit den unerfahrenen Philipp Max und Robin Koch ausgesucht. Nach dem folgerichtigen 0:1 rückte das Löw-Team etwas weiter auf, was den konterstarken Spaniern jedoch Räume bot. Der Fehlschuss von Ferran Torres (18.), die Abseitsstellung von Morata (23.) und eine Weltklasseparade von Neuer gegen Torres (30.) verhinderten zunächst ein 0:2. Doch das war nur aufgeschoben.
Den Abpraller nach einem Lattentreffer von Olmo nutzte der von Max sträflich alleingelassene Torres zum zweiten Treffer, drei Minuten später netzte Rodrigo per Kopf ein. Die Spanier, bei denen Ramos und Sergio Canales in der ersten Halbzeit verletzt ausgewechselt werden mussten, beherrschten das Spiel fast nach Belieben. Gegenwehr bekamen sie aber auch so gut wie keine. „Das war nichts“, urteilte ARD-Experte Bastian Schweinsteiger in der Halbzeit.
Nach dem Seitenwechsel änderte sich trotz einer Systemumstellung: Nichts. Am ebenfalls enttäuschenden Toni Kroos, der gegen die Ukraine (3:1) gelbgesperrt gefehlt hatte, konnten sich die Mitspieler nicht aufrichten. Offensiv hing das Turbo-Trio Timo Werner, Leroy Sane und Serge Gnabry meist in der Luft.
Vor dem Spiel hatte der DFB bekannt gegeben, dass erneut alle Angehörigen des aktuellen Aufgebots negativ auf COVID-19 getestet wurden. Das war vor dem Hintergrund des jüngsten Länderspiels der DFB-Elf gegen die Ukraine eine beruhigende Nachricht, weil seitdem zahlreiche ukrainischen Spieler ein positives Ergebnis erhielten.
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