Die Dauer von Fußballspielen unterscheidet sich gewöhnlich kaum – egal in welchem Stadion der Welt der Ball rollt. Hier eine Minute Nachspielzeit vor der Halbzeit, dann noch ein Zuschlag bis zum Abpfiff und nach etwas mehr als 90 Minuten sind die Spieler erlöst. Doch für das Estadio Santiago Bernabeu, die legendäre Heimspielstätte von Real Madrid, scheint dies nicht zu gelten – zumindest wenn es nach Vereinslegende Juanito geht. Denn: „90 Minuten im Bernabeu sind sehr lang!“
Mit dieser Aussage soll der Spanier einst seine Gegner von Inter Mailand nach einer Hinspiel-Niederlage im San Siro eingeschüchtert haben. Ein Stadion also, in dem die 90 Minuten für die Gegner kein Ende nehmen wollen, das Spiele drehen und gewinnen kann. Inter machte 1986 genau diese Erfahrung, die Königlichen siegten und kamen weiter. Es sind diese Geschichten, die den Mythos des Bernabeu seit der Eröffnung am 14. Dezember 1947 geprägt haben.
Der langjährige Vereinspräsident Santiago Bernabeu setzte das Stadion damals in den Stadtbezirk Chamartin, mitten ins Herz von Madrid. Der schon lange verstorbene Visionär träumte seinerzeit davon, Real zum besten Klub der Welt zu machen. Der Bau des Stadions, das zunächst den Namen Nuevo Estadio Chamartin trug, war ein Teil des Plans. Über die Jahre wurde es mehrfach umgebaut – 81.044 Zuschauer finden seit der bislang letzten Erweiterung 2011 Platz darin.
Welche Kraft das Stadion entwickeln kann, erlebte nicht nur Inter Mailand. Borussia Mönchengladbach reiste 1985 mit einem 5:1 im Rücken euphorisiert nach Madrid, nach 90 hitzigen Minuten im Bernabeu waren die Fohlen raus aus dem UEFA-Pokal – 0:4. Im Jahr 1957 gewann Real im eigenen Stadion sogar den Europapokal der Landesmeister. Sieben Jahre später holte die spanische Nationalmannschaft dort erstmals den EM-Titel.
Aus deutscher Sicht liefen Abende im Bernabeu oftmals ernüchternd – selbst wenn es nicht gegen die Madrilenen ging. Das DFB-Team verlor 1982 das WM-Finale, Bayern München verpasste 2010 den Champions-League-Titel.
Einen besonders langen Abend in Madrid erlebte Borussia Dortmund: Beim unvergessenen Torfall am 1. April 1998 dauerte es 76 Minuten, ehe ein neues Tor aufgestellt war und die Partie angepfiffen werden konnte. Der BVB verlor gegen Real schließlich mit 0:2.
Frankfurt/Main (SID)
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