Lars Ricken hat sich Tausende Male an die größten Sekunden seiner Karriere erinnert – und noch mehr Geschichten darüber erzählt bekommen. „Der eine war während meines Tores auf der Toilette, ein anderer Bier holen. Diese Leute sind felsenfest davon überzeugt, dass das Tor nur gefallen ist, weil sie am Bierstand oder auf dem Klo waren“, sagte der Held des Champions-League-Finals von 1997 einst lachend im SID-Interview.
Am Donnerstag jährt sich zum 23. Mal der legendäre Triumph von Borussia Dortmund gegen Juventus Turin (3:1) im Münchner Olympiastadion. Und damit auch jener Moment, in dem TV-Kommentator Marcel Reif in sein Mikrofon schrie: „Lupfen jetzt! Ja! Jaaaaa! Lars Ricken! Fünf Sekunden auf dem Platz!“
Ricken, 43, Nachwuchskoordinator beim BVB („Mein absoluter Traumjob“), hat weit mehr zu berichten als die Flugbahn des Balles oder den Gesichtsausdruck des verdatterten Juventus-Torhüters Angelo Peruzzi. Er und Doppeltorschütze Karlheinz Riedle, Leiter eines Hotels im Allgäu, verewigten sich auf einmalige Weise: „Eine Frau hat vor dem Endspiel zwei Wellensittiche bekommen, die noch keinen Namen hatten – die hießen nach dem Finale Kalle und Lars.“
Und irgendwo läuft noch ein besonderer junger Mann herum. „Bei meinem Tor ist ein Mann auf dem Friedensplatz einer wildfremden Frau um den Hals gefallen. Daraus wurde Liebe. Die beiden haben geheiratet, ein Kind bekommen“, berichtete Ricken: „Und das Kind heißt Lars.“ Selbstverständlich.
Der Siegeszug war kein Märchen von Teamgeist und epischen Schlachten wie jenes von Schalke 04, das kurz zuvor den UEFA-Cup gewonnen hatte. Beim BVB fanden sich Ausnahmekönner zusammen, Sammer, Möller, Zorc, Reuter, Chapuisat, Paulo Sousa. „Das waren Hausnummern“, sagt Ricken, „das Who is Who des internationalen Fußballs.“ Doch es gab Grüppchenbildung, manch einer hat die Mannschaft von Trainer Ottmar Hitzfeld gar als zerstritten bezeichnet. Wohl auch deshalb gibt es keine große Feier oder gar ein Legendenspiel. Ricken sagt: „Der Kitt, der alles zusammengehalten hat, war als Dortmunder Leitfigur Michael Zorc.“ Der ist seit vielen Jahren Sportdirektor.
SID