Glaubt man der Überlieferung, wussten die Braunschweiger Gymnasiasten erst mal nichts anzufangen mit der mit Leder umhüllten Ochsenblase, die ihnen am 29. September 1874 vor die Füße rollte. Ihr Lehrer Konrad Koch, der die Kugel ins Spiel gebracht hatte, half ihnen auf die Sprünge. „Sie müssen den Ball treten, meine Herren!“, soll er gerufen haben. Die folgsamen Schüler taten, wie ihnen geheißen – und fanden schnell Gefallen an der „Fußlümmelei“.
Fußball in Deutschland
Kochs „Einwurf“ gilt als Geburtsstunde des Fußballs in Deutschland. Das genaue Datum des ersten Fußballspiels ist zwar unklar, Koch selbst hielt aber „Michaelis 1874“ als Tag der Premiere fest – der 29. September -, obwohl er auch von „Oktober 1874“ sprach. Der Ort jedoch ist unbestritten: Die Schüler des Martino-Katharineums trafen sich auf dem „kleinen Exer“, einem Exerzierplatz am heutigen Braunschweiger Rebenring.
Sport war im Kaiserreich ganz im Sinne des nationalistischen Zeitgeistes. Koch und sein Kollege August Hermann, der einen Original-Ball aus England beschafft hatte, wollten dem häufig in Hallen ausgeübten Turnen Bewegung an der frischen Luft gegenüberstellen. „Es ist eine glorreiche Tat, wenn ein Spieler mit dem Balle unter dem Arme den anderen mit Gewalt zur Seite stößt und schließlich glücklich im feindlichen Male landet“, hielt Koch fest.
Der Ur-Fußball
Dabei wird deutlich: Der Ur-Fußball hatte wenig mit der heutigen Lieblingssportart der Deutschen gemein. Eine Mannschaft bestand anfangs aus 15 Spielern, die den Ball auch mit den Händen aufnehmen durften. „Tore“ schossen sie nicht, stattdessen kickten sie den Ball über die drei Meter hohe Querlatte eines fünf Meter breiten „Mals“.
Fußball ohne Schiedsrichter
Auch gab es noch keine Schiedsrichter, stattdessen einen „Spielkaiser“ jeder Mannschaft, der Mitspieler bei Verstößen rügte. Aber: Die Abseitsregel findet sich schon in den ersten deutschsprachigen Fußballregeln, die Koch ein Jahr später veröffentlichte – sie sollte faule Spieler daran hindern, nur vorne rumzulungern.
Die Turner verhöhnten die neue „Engländerei„, doch deren Siegeszug war unaufhaltsam. In Braunschweig wurde bald zweimal wöchentlich gekickt, und Koch notierte: „Die deutschen Knaben spielten das englische Spiel, wenn auch anfangs noch nicht mit allen Feinheiten, doch eifrig und geschickt und zu ihrem größten Vergnügen.“
Fotos und Text: SID