Am Spielfeldrand laufen schon die Vorbereitungen für die große Sause. Betreuer schleppen Champagner und eine Kiste voller Mützen heran. Die Aufschrift: „Champions League-Sieger 1999 – FC Bayern München„. Die UEFA schmückt den Henkelpott mit rot-weißen Bayern-München-Bändern.
Doch was dann im Stadion Camp Nou von Barcelona passiert, geht als „Die Mutter aller Niederlagen“ in die Fußball-Historie ein. „Die ganze Grausamkeit hat uns getroffen“, sagt der damalige Präsident Franz Beckenbauer nach dem 1:2 (1:0) gegen Manchester United fassungslos.
Exakt 102 Sekunden dauert an jenem 26. Mai 1999 diese Grausamkeit. Der über weite Strecken überlegene FC Bayern führt durch ein frühes Tor von Mario Basler (5.) bis zur 90. Minute. Schiedsrichter Pierluigi Collina zeigt drei Minuten Nachspielzeit an – und das Unheil nimmt seinen Lauf. Teddy Sheringham gleicht aus, ehe kurz darauf Joker Ole Gunnar Solskjaer, „The baby-faced Assassin“ (der Killer mit dem Babyface), die Bayern in ein Tal der Tränen stürzt.
„Ich kann’s nicht glauben. Football, bloody hell!“, jubelt ManUnited-Coach Alex Ferguson. Wenige Meter daneben liegen die Bayern völlig konsterniert und heulend auf dem Rasen. „An so einem Erlebnis kannst du zerbrechen“, sagt Uli Hoeneß.
Schnell war auch der Schuldige ausgemacht. In der 80. Minute hatte sich der damals 38 Jahre alte Lothar Matthäus erschöpft auswechseln lassen. Mehmet Scholl („Der verpisst sich doch immer, wenn es eng wird“) und auch Stefan Effenberg werfen Matthäus vor, sich vor der Verantwortung gedrückt zu haben.
Das stimme nicht, kontert Matthäus Jahre später. „Ich hatte ja schon ein gewisses Alter erreicht und war einfach müde.“ So verfolgt er den Schlussakkord der „schlimmstmöglichen Niederlage aller Zeiten“ von der Bank aus.
Danach hilft auch der Trost von Beckenbauer („Wir haben keinen Kampf verloren, keine Schlacht. Wir haben auch nicht das Leben verloren, wir haben ein Spiel verloren.“) nicht. Oliver Kahn bleibt dem Bankett fern, andere Profis, angeführt von Basler, ertränken ihren Frust in Alkohol. Wegen 102 Sekunden Fußball.
(SID)