Frankfurt am Main (SID) – Trainer Julian Nagelsmann will beim deutschen Fußball-Meister Bayern München durch eine Mischung aus einem ganzheitlichen Ansatz und Kenntnissen über individuelle Eigenheiten seiner Spieler neue Erfolge erreichen. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verglich der 34-Jährige seine Spielphilosophie mit dem Fußball-Verständnis des spanischen Startrainers Pep Guardiola und plädierte außerdem für die klare Positionierungen des gesamten Fußballs in gesellschaftlich relevanten Fragen.
Seit seinem Amtsantritt bei den Bayern zu Saisonbeginn sieht sich Nagelsmann „charakterlich und inhaltlich“ in einer Rolle als „Menschenfänger“. Es reiche nicht, „der Gute-Laune-Onkel zu sein“.
In seiner täglichen Arbeit bemüht sich Nagelsmann um eine Verbesserung der Mannschaftsleistung durch die Aufwertung jedes einzelnen Spielers. „Ich will, dass alle verstehen, dass sie eine Verantwortung für die Tore haben können. Wenn Du maximale Freude fördern willst, musst Du maximal Verantwortung fordern. Ich will, dass alle Verantwortung dafür haben, dass wir Tore schießen.“
Zur Verbesserung selbst der in München zahlreichen Weltklassespieler setzt sich der Coach jedoch zugleich auch mit den jeweiligen Persönlichkeiten seiner Stars auseinander. „Du musst die Triggerpunkte von Spielern kennen. Was begeistert sie? Was setzt sie unter Druck? Was nimmt ihnen Druck? Das kann man herausfinden, mit Vier-Augen-Gesprächen, Beobachtungen, Tests. Und dann geht es noch um die richtige Ansprache“, erklärte Nagelsmann.
Der frühere Trainer von Münchens Ligarivalen TSG Hoffenheim und RB Leipzig strebt in der Tagesarbeit nach einer Gesamtorganisation wie Bayerns früherer Meistermacher Guardiola: „Sein Training kann sehr anstrengend sein für den Kopf, weil es aufzeigt, wie Spieler sich im Raum positionieren und verhalten müssen, um viele Chancen herauszuspielen. Das ist auch mein Hauptcredo.“
Dadurch will Nagelsmann in München einen Stil prägen, mit dem „wir unsere Ballbesitzphasen mit eigenen Umschaltaktionen schmücken – wie eine Kontersituation, nur aus dem eigenen Ballbesitz heraus.“ Sein Team „soll Momente und Räume erkennen, in den wir überfallartig spielen können. Tempofußball aus eigenem Ballbesitz heraus. Das liebe ich – und bleibt hoffentlich nachhaltig in den Köpfen.“
Im Kopf bereits abgewogen hat der gebürtige Bayer offenbar die Aussichten seines Teams auf einen erneuten Triumph in der Champions League trotz der Aufrüstung der Konkurrenz in England und Frankreich. „Wenn unsere 16, 17 Topspieler gesund bleiben, haben wir auf jeden Fall Chancen“, meinte Nagelsmann.
Damit alleine könne München der finanziellen Überlegenheit der Rivalen dauerhaft nicht mehr Paroli bieten. „Die Auswirkungen des Ungleichgewichts sieht man momentan noch nicht. Wenn das aber fünf, sechs Jahre so weitergeht, können wir die Kaderqualität wahrscheinlich nicht mehr halten“, mahnte der Nachfolger des neuen Bundestrainers Hansi Flick. Weil aus seiner Sicht „unsere eigene Ausbildung ohnehin nicht reichen“ wird für jährlich mehrere Nachwuchsspieler auf Topniveau, regte Nagelsmann „kreative Lösungen“ wie „frühes Scouting und auch Partnervereine“ an.
In der Debatte um eine Verbindung zwischen Fußball und politischen Aussagen hat der Bayern-Trainer keine Berührungsängste: „Wenn wir für eine offene Gesellschaft einstehen wollen, dann dürfen wir auch eine Botschaft senden. Es gibt Dinge, die unsere soziale Verantwortung nach sich zieht, die man auch äußern sollte.“
Text und Fotos: SID
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