St. Gallen (SID) – Zäher Aufbruch in ein neues Zeitalter: Hansi Flick hat bei seinem Bundestrainer-Debüt noch keine Euphorie ausgelöst und sogar einige Pfiffe kassiert. Der Nachfolger des „ewigen“ Joachim Löw führte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation zu einem mageren 2:0 (1:0) gegen Liechtenstein, das wahrlich niemanden von den Sitzen riss. Für Flick zeigte sich: Aller Anfang ist schwer.
Timo Werner (41.) und Leroy Sane (77.) bescherten dem elften Bundestrainer immerhin einen ersten Sieg, es war in der Gruppe J der dritte im vierten Spiel auf dem Weg zur Endrunde in Katar 2022. Auch in den weiteren Duellen mit Armenien in Stuttgart (Sonntag) und Island in Reykjavik (Mittwoch) werden von Hansi Flick Pflichtsiege erwartet. Es bleibt viel Arbeit.
Nicht ganz unerwartet stellte die Nummer 189 der FIFA-Weltrangliste (nur 21 Teams kommen noch danach) die deutsche Mannschaft in St. Gallen vor keine unlösbaren Aufgaben – die einzige Frage war vor 7958 Zuschauern jene nach der Höhe des Sieges. Doch: Es begann lahm, äußerst lahm. So leicht wie erhofft waren die tapferen Liechtensteiner nicht auszuspielen, es fehlten Wucht, Präzision, Ideen, Leidenschaft.
Der überzeugende Torhüter Benjamin Büchel bekam von Joshua Kimmich und der Sturmspitze Werner mal die Hände warmgeschossen (4./7.), Robin Gosens köpfte an den Pfosten (19.), der vierte Versuch von Werner war dann endlich drin. Liechtenstein schaffte es mit viel Einsatz und guter Organisation, dass die deutsche Offensive statisch wirkte. Flick war überhaupt nicht zufrieden und schickte früh kreative Kräfte zum Aufwärmen.
Die deutschen Spielverlagerungen jedoch blieben bis tief in die zweite Halbzeit hinein zu wenig dynamisch. Hinter die Abwehr zu kommen, war kaum möglich, die Fünfer- bis Sechserkette erwartete die deutschen Offensivstars im eigenen Strafraum. Es war eine Belagerung mit seltenen Durchbrüchen: Ilkay Gündogan und Gosens scheiterten im Sitzen mehrfach kurios an Büchel (58.).
Flick winkte nach dieser Szene ab, er hatte genug gesehen – und er brachte Marco Reus, Serge Gnabry, Jonas Hofmann. Kai Havertz und Ridle Baku hatten enttäuscht. Wesentlich besser wurde es allerdings nicht mehr. Daniel Kaufmann hielt den Kopf wagemutig in einen Gosens-Gewaltschuss (68.). Erst Sane traf. Danach kam noch Leverkusens Youngster Florian Wirtz zu seinem Debüt im A-Team (82.) – und Gosens musste wenig später verletzt runter.
Der neue Bundestrainer war von den vielen deutschen Fans im Ausweichstadion Kybunpark überaus freundlich empfangen worden, die enttäuschende EM schien vergessen. „Hansiiii“-Rufe begleiteten Flick zum TV-Interview, bevor er erstmals seit dem WM-Finale 2014 (damals als Löws Assistent) auf der deutschen Bank Platz nahm. Nach 15 Jahren Löw war es nicht weniger als eine Zeitenwende.
Flick, 56, forderte bei RTL „Begeisterung“ ein, er stellte Weichen und überraschte. Thilo Kehrer von Paris St. Germain verteidigte innen in der Viererkette, der Münchner Jungstar Jamal Musiala, der das 1:0 mit einem tollen Solo einleitete, hatte es dem ehemaligen Bayern-Trainer derart angetan, dass er ihn gleich erstmals in die Startelf berief. Antonio Rüdiger und Gnabry saßen auf der Bank, Flicks geplante Achse war ohnehin durch die Abwesenheit von Manuel Neuer (geschont) und Thomas Müller (angeschlagen abgereist) gesprengt.
„Wir haben drei Spiele in wenigen Tagen. Da kann man auch mal anderen eine Chance geben“, sagte Flick, von Kehrer habe zuletzt besonders dessen Vereinstrainer Mauricio Pochettino geschwärmt. Florian Neuhaus und Lukas Klostermann gehörten nicht zum Kader.
Taktische Erkenntnisse waren angesichts des Gegners schwierig zu gewinnen. Hier und dort blitzte das hohe Pressing auf, die Abkehr von der defensiven Dreierkette hatte Flick angekündigt. Von den neuen Tricks des Standardtrainers Mads Buttgereit war noch wenig zu erahnen, und ein großer Stoßstürmer steht weiterhin nicht zur Verfügung.
Text und Fotos: SID
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