Auf den prall gefüllten Tribünen in Preßburg brodelte es. Dem nationalsozialistischen Deutschland schlug nun auch auf dem Fußballplatz blanker Hass entgegen. „Die 12.000 Zuschauer umgaben uns mit einer Mauer der Feindseligkeit“, schilderte der damals 22-jährige Fritz Walter die Situation beim Länderspiel in der Slowakei. Nach Abpfiff rettete er sich in Windeseile mit seinen Teamkollegen in die Kabine.
„Das Publikum war fanatisch und undiszipliniert“, wetterte Reichstrainer Sepp Herberger. Der nie gefährdete 5:2-Erfolg der „großdeutschen“ Nationalmannschaft geriet am 22. November 1942 zur Nebensache.
Zuvor waren Länderspiele in der Vorzeigesportart für das NS-Regime beliebtes Mittel zum Zweck, insgesamt 35 Partien gingen während des Zweiten Weltkriegs über die Bühne. Die Auftritte des DFB-Teams sollten im Sinne der nationalsozialistischen Propaganda für positive Stimmung in der kriegsmüden, aber fußballbegeisterten Bevölkerung sorgen. Und vor allem ablenken – von der sich abzeichnenden Kriegsniederlage.
Beispielsweise meldete Generalmajor Friedrich Paulus an jenem 22. November 1942, dass seine 280.000 Mann starke Armee in der sowjetischen Stadt Stalingrad eingekesselt war – es begann ein Kampf um Leben und Tod. Doch die Schlagzeilen in Deutschland bestimmte der 100. Fußball-Länderspielsieg im heutigen Bratislava. König Fußball regierte lange auch in Hitlers Reich.
Wochen vor Länderspielen wurden Nationalspieler wie Walter, August Klingler oder der spätere Bundestrainer Helmut Schön in den Kriegsgebieten aus der Armee abgezogen, sie sollten sich gut auf die prestigeträchtigen Partien vorbereiten. „Trotz des sinnlosen Krieges war es für uns Sportler eine herrliche Fußballzeit“, blickte Schön später zurück: „Für uns war mit jedem Länderspiel die verlockende Aussicht verbunden, über die Grenzen zu kommen.“ Eine willkommene Abwechslung.
Doch dieses Privileg hatte mit der Begegnung in der Slowakei ein Ende. Im Februar 1943 musste das deutsche Reich in Stalingrad kapitulieren. Propagandaminister Joseph Goebbels rief anschließend den „totalen Krieg“ aus und untersagte internationale Sportveranstaltungen wie Fußball-Länderspiele. Zwar endete der Zweite Weltkrieg knapp drei Jahre später, doch des Deutschen „liebstes Kind“ musste weit länger warten.
Erst auf den Tag genau acht Jahre später meldete sich König Fußball zurück. Vor über 100.000 Zuschauern schlug das DFB-Team am 22. November 1950 die Schweiz – von den Protagonisten von 1942 waren da nur noch zwei Spieler übrig.
Frankfurt/Main (SID)
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