Hamburg (SID) – Es war weit mehr als ein Fußballspiel, gerade einmal zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war es ein Politikum. Als der Deutsche Fußball-Bund (DFB) für den 21. August 1955 ein Länderspiel in Moskau gegen die Sowjetunion vereinbart hatte, fühlte sich die Bundesregierung übergangen. DFB-Präsident Peco Bauwens musste bei Außenminister Heinrich von Brentano zum Rapport antreten.
Denn noch wurden seinerzeit mehr als 10.000 deutsche Kriegsgefangene in russischen Lagern festgehalten, Bonn fürchtete um seine Geheimdiplomatie im Bemühen um eine Freilassung der Landsleute. Doch es kam ganz anders: Bei hochsommerlichen Temperaturen wirkte der Auftritt des Weltmeisters in der russischen Hauptstadt wie ein Eisbrecher.
Nahezu ohne Ressentiments gegenüber den Gästen des einstigen Kriegsfeindes freuten sich 80.000 Zuschauer im ausverkauften Dynamo-Stadion über einen 3:2-Sieg der UdSSR-Auswahl. Sogar 1500 Deutsche, jeweils zur Hälfte aus Ost und West, waren auf dem Schienenweg 60 Stunden lang vom Berliner Ostbahnhof nach Moskau gereist, um die Partie zu sehen.
Erst nachdem Bundeskanzler Konrad Adenauer im September 1955 die Freilassung der letzten Deutschen aus der Kriegsgefangenschaft erwirken konnte, berichteten in den Folgemonaten die Heimkehrer von der ungeheuren Signalwirkung des Moskauer Vergleichs.
Bis weit ins östliche Sibirien hinein verfolgten Bewacher und Insassen in zahlreichen Arbeitslagern gemeinsam die Radioübertragung aus Moskau. Hoffnung keimte auf, bald in die Heimat zurückkehren zu dürfen.
Und für die russischen Nationalspieler war der sportliche Erfolg gegen die WM-Helden von Bern offenbar eine ganz besondere Motivation. Nur ein Jahr später gewannen sie in Melbourne das olympische Fußballturnier.
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