Berlin (SID) – Eines der vielen Gerüchte, die sich um das WM-Spiel zwischen der BRD und der DDR ranken, entkräftet Jürgen Sparwasser sofort. „Nein, ich bin nicht genervt, wenn man mich auf das Tor anspricht. Das ist doch ein Stück Zeitgeschichte“, sagte der 72-Jährige im SID-Gespräch.
Wahr ist hingegen, dass Sparwasser an jenem Abend des 22. Juni 1974 in Hamburg in Höchstform war. Und dann kam da in der 78. Minute diese Flanke – ein Diagonalpass von Erich Hamann über 40 Meter. „Drei Gegenspieler standen um mich herum. Ich hatte eigentlich keine Chance“, erinnerte sich Sparwasser. Dennoch nahm er den Ball gekonnt mit und lief auf Sepp Maier zu: Der geniale Moment der Verzögerung, Horst-Dieter Höttges grätscht ins Leere, Maier geht zu Boden und Sparwasser hebt den Ball in die Maschen.
Äußerst selbstbewusst war die DDR-Auswahl 1974 in dieses letzte Vorrundenspiel gegangen. Die Spieler kannten sich, die Mannschaft war seit Olympia 1972 zusammen. Außerdem hatte man sich – wie die bundesdeutsche Mannschaft auch – wenige Stunden zuvor für die 2. Finalrunde qualifiziert. Chile und Australien trennten sich in Berlin 0:0, das reichte den beiden deutschen Teams, die sich ein intensives Spiel lieferten.
Nach der Pleite der hochfavorisierten Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) kam es im Quartier von Malente zum großen Knall – mit heilender Wirkung. Einige Spieler flogen zunächst aus der Start-Elf wie Bernd Cullmann, Heinz Flohe (beide 1. FC Köln), Uli Hoeneß (Bayern München) und Jürgen Grabowski (Eintracht Frankfurt).
Beckenbauer und Co. rauften sich zusammen, es entstand eine wirkliche Mannschaft. Der Einfluss von Bundestrainer Helmut Schön wird rückwirkend als eher gering eingestuft, Kapitän Franz Beckenbauer avancierte zum Wortführer.
Und als Gruppenzweiter erwischte man die einfachere Zwischenrundengruppe. Jugoslawien (2:1), Schweden (4:2) und Polen (1:0) wurden auf dem Weg ins Finale gegen die Niederlande (2:1) aus dem Weg geräumt. Beckenbauer meinte später: „Wir wären in eine viel schwierigere Gruppe gekommen. Von daher müssen wir der DDR sogar dankbar sein.“
Gruppensieger DDR musste sich mit Brasilien, Holland und Argentinien messen. Der spätere Finalist Oranje sei „übermächtig“ gewesen, erinnerte sich Sparwasser. So kam die DDR-Auswahl nicht weiter, im Gegensatz zur bundesdeutschen Elf, die zum zweiten Mal nach 1954 den WM-Titel errang.
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