Köln (SID) – Gerd Müller, Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Günter Netzer, wow! Als beste Mannschaft der DFB-Geschichte wird die erste deutsche Europameister-Elf heute noch gefeiert. Das 3:0 im Finale von Brüssel am 18. Juni 1972 gegen die Sowjetunion war ein Fußball-Lehrstück in punkto spielerischer Leichtigkeit und technischer Perfektion.
„Dank den Deutschen gibt es wieder jenen brillanten Fußball in Europa, den die Ungarn einst so unnachahmlich zeigten“, befand der Daily Telegraph anerkennend. Die Medienvertreter von der Insel mussten es wissen. Der Erfolg über die UdSSR durch Tore von Müller (27., 58.) und Hacki Wimmer (52.) glich einem Schaulaufen, der Schlüssel zum Titel war das 3:1 im Viertelfinal-Hinspiel am 29. April in London gegen England.
„Wenn wir hier weniger als fünf Stück kriegen, haben wir ein Riesenresultat erzielt“, unkte Regisseur Netzer vor der Partie. Seine Mönchengladbacher und auch der FC Bayern steckten im Frühjahr 1972 in einer Formkrise, zudem hatte Deutschland in fünf Anläufen in England nie gewonnen, das verlorene WM-Endspiel 1966 schmerzte wie ein Stachel.
Doch nicht die Three Lions, sondern die in ihren grünen Ausweichtrikots spielenden Deutschen dominierten die Partie bei Dauerregen. Verantwortlich war ein gewagter taktischer Kniff. Netzer ließ sich aus dem Mittelfeld oft auf die Höhe der Abwehrspieler zurückfallen und entzog sich so seines direkten Gegenspielers.
Nach vorne stieß der 27-Jährige natürlich trotzdem, im kongenialen Wechselspiel mit Libero Beckenbauer. „Netzer kam aus der Tiefe des Raumes“, schwärmte FAZ-Feuilletonist Karl-Heinz Bohrer und erschuf damit ein geflügeltes Wort des Fußballs.
Vom eigenen Strafraum aus passte, dribbelte und dirigierte Netzer an diesem Abend besser und unwiderstehlicher denn je. Eine Untersuchung der Deutschen Sporthochschule Köln von 2010 ergab, dass Netzer für die damalige Zeit herausragende 99 Ballaktionen hatte.
Der 20-jährige Uli Hoeneß traf in der 26. Minute zur Führung. Den Ausgleich der Engländer durch Francis Lee (77.) konterten die Gäste eindrucksvoll. In der 84. Minute wurde Siggi Held von Bobby Moore im Strafraum zu Fall gebracht, der überragende Netzer verwandelte. Fünf Minuten später erhöhte Müller aus der Drehung gar auf 3:1. Das Rückspiel in Berlin (0:0) wurde damit quasi bedeutungslos. Auch in der Nachbetrachtung interessierte (fast) nur die Begegnung in Wembley.
Das war „die beste Leistung einer deutschen Nationalmannschaft überhaupt“, schwärmte der sonst so nüchterne Bundestrainer Helmut Schön. Die französische Sportzeitung „L’Equipe“ fabulierte von „Traumfußball aus dem Jahr 2000“.